Deine Trauer ist Deine persönliche Reise

Diese lieb gemeinten Hinweise „Ich weiß wie du dich fühlst“ waren damals immer furchtbar. Wenn ich sie hörte, wollte ich immer hinausschreien. „Nein, das weißt du nicht – das kannst du nicht wissen.“  
Ich habe es damals nicht gemacht. Die Folge war, dass ich mich noch mehr in meiner Trauer allein gefühlt habe. Ich war zwar sicher, dass mein Gegenüber mich mit diesen Worten nur stärken und stützen wollte, aber genau das Gegenteil ist passiert. Es wäre gut gewesen, wenn ich ehrlich gesagt hätte, wie es mit mit diesem gut gemeinten Hinweis gegangen ist. 

 

Unsere eigenen Erfahrungen können wir nicht 1:1 auf einen anderen Menschen übertragen. Das "Wissen" ist unser Wissen, und es ist anmaßend wissen zu wollen, wie sich der andere Mensch in diesem Augenblick der Trauer fühlt. Wir haben jeweils ganz andere Verlusterfahrungen gemacht. Diese alten Erfahrungen prägen den Umgang mit Abschieden. Außerdem sind die persönlichen Rahmenbedingungen, die Einstellung zur Welt und der Umgang mit schweren und leichten Momenten jeweils ganz unterschiedlich ausgeprägt. Deswegen können wir die Situationen nie vergleichen.

 

Der so lieb gemeinte Satz  „Ich weiß wie du dich fühlst“ habe ich als Trauernde eher als einen hilflosen Versuch der Anteilnahme empfunden. Gestärkt hätte mich hier eher: „Ich kann mir nicht ausmalen, wie schwer die Situation jetzt für dich sein muss. Ich würde es gern, aber ich kann es nicht."

 

Nun, heute weiß ich, dass es gut gewesen wäre, wenn ich schon in diesem Augenblick gesagt hätte, wie es mir damals damit ging. Zu der Zeit ging das nicht, weil ich es nicht konnte. Mir fehlte die Kraft dazu. 

 

Heute kann ich es, und deswegen schreibe ich diesen Post. 

Wandel hat eingesetzt und setzt sich fort ....

Ehrlich gesagt, das Leben nach einem Verlust gleicht einem harten Trainingslager ...

Du kannst mit so vielen Menschen wie möglich zusammen sein, aber das Ich in dir ist allein.

Selbst wenn alle in deinem Umfeld Trauer oder Angst fühlen, werdet ihr sie nicht zusammen fühlen.

Die Emotion wird nicht geteilt, denn jede Emotion ist einzigartig und anders. 

Die Last kann erst einmal nur von dir allein getragen werden.

Die Trauer kann nur von deinem Herzen verarbeitet werden.

Egal wie viel Liebe, Unterstützung, Aufmerksamkeit und Fürsorge du bekommst, du gehst diesen Weg erst einmal allein. Nun, und damit verlässt du deine Komfortzone. Nein, du musst sie verlassen, um wieder neu leben zu lernen.

 

Sei bitte nicht erschrocken, aber es ist wichtig, dass ich das so deutlich formuliere. Das Einzige, was ich oder andere tun können, ist, dich zu sehen, deine Geschichte zu hören und diese wertzuschätzen. 

Dein Ich ist der einzige wirkliche Führer deines Lebens.

Der einzige Ort, den du erkennen und gestalten musst.

Es ist nicht der Verlust, den du überwinden musst, sondern du musst Antworten auf die Frage finden, wie du dich selbst in deiner Trauer orientieren kannst.

Wie du dich nach einer ganzen Nacht des Weinens vom Boden aufrichten kannst.

Finde die Stärke, um deine Sachen aus dem Schrank zu packen und auszusortieren.

Geh zur Arbeit. Kaufe ein und sorge für dich – kulinarisch und auch körperlich sowie mental. 

Du siehst, es geht immer darum, wie DU das kannst und machst.

Niemand außer dir kann das tun.

Was bitte ich dich zu tun?

Ich bitte dich, dich selbst zu trainieren.

Ehrlich gesagt fühlt sich das Leben nach dem Verlust wie ein Trainingslager an – ein bisschen sogar so wie beim Militär. Es tut höllisch weh. Und du musst weitermachen. 

Alles hält dich von der Wiederaufnahme des Lebens ab, und doch musst du alles herausschreien, um es zu schaffen.

Die Beratung der anderen ist sicherlich gut gemeint, aber wenn es ungebetene Empfehlungen gibt, dann schau denjenigen an, lächle und sage: Danke, aber ich finde meinen Weg. 

Es sind deine Schreie. Deine Tränen. Deine Panikattacken.

Es ist dein Berg und niemand kann dich dorthin tragen, außer dein Herz, deine Beine, dein Gehirn und dein eigener Verstand.

Dein Innere muss das alles tun.

Es tut mir leid. Ich wünschte, es wäre anders.

Die gute Nachricht ist, du bist der Berg.

Und du hast nichts zu fürchten.

Das Leben nach dem Verlust folgt deinem Befehl.

Geh voran und erreiche den Gipfel – Schritt für Schritt – in deinem Tempo

 

Alles Liebe, Daniela

 

Gedanken in Anlegnung an Christina Rasmussen

Deine Trauer ist wie das unendliche Meer ...

Deine Trauer ist wie das unendliche Meer
ein ewiges Kommen und Gehen
in großen Wellenbergen und tiefen Tälern 
ein ständiges Kommen und Gehen von Erinnern, Trauern, Lieben
von Tränen und dem Schmerz der Endgültigkeit
Aber das Meer verändert deine Spuren im Sand
verwischt sie
schafft neue Schraffuren 
und schenkt dir Treibgut: 
Erinnerungen der Liebe 
Und ganz zart 
ganz langsam
ganz leise
fühlst du
dass du lebst
und du beginnst 
auf geheimnisvolle Weise
eine neue Reise: 
zu dir
zurück ins Leben.
M.Vorderwülbecke   04.08.2017

Eine Wunde ist ein Ort ....

„Eine Wunde ist ein Ort, über den das Licht in dich eindringt.“ 

Heute Morgen las ich diesen Impuls des persischen Mystikers Rumi und war gleich wie elektrisiert, denn die tiefere Aussage gilt auch für meinen Weg der Trauer. 

Wie meine ich das?

Durch den schmerzhaften Verlust vor über 14 Jahren ist die Trauer in mein Herz eingekehrt. Sie hat mit ihrem Eintritt einen Raum bereitet, in dem meine Seele weiter wachsen konnte. Meine Seele ist in diesem Raum gestärkt worden und wird es noch täglich. 
Aufgrund dieser Erfahrungen, glaube ich ganz fest daran, dass ein schmerzhafter Verlust eine Tür öffnet oder vielleicht auch eine Rampe für eine neue Dimension des Lebens, der Liebe und für eine neue persönliche Blütezeit darstellen kann.
Die Trauer hat mein Herz geöffnet, und über diese Öffnung durfte ich eine Transformation erfahren. 
Ich bin nicht mehr die, die ich vor 20 Jahren war. Ich habe diese Wunde, d.h. die Öffnung von der Rumi spricht, genutzt und sicherlich anders genutzt als wenn ich ohne den frühen Verlust eines geliebten Menschen und die Trauer einfach älter geworden wäre.

Es liegt jeweils an uns selbst, ob wir diese Öffnung nutzen möchten, um sie auf unser gesamtes Leben zu übertragen....
Gerne begleite ich Menschen dabei - insbesondere mit meinem Übungsprogramm zum Neustart ins Leben nach einem Verlust. Das wird bald als Online-Programm verfügbar sein. Nähere Infos folgen bald.

Eine interessante Info am Rande: Rumi ist ein Sufi-Mystiker aus Afghanistan und einer der wichtigsten persischen Dichter des Mittelalters. Er begann mit dem Schreiben als sein bester Freund starb.